Langtaufers

Schulterschluss für Langtaufers, für das Melagtal

Der Alpenverein Südtirol, der Dachverband für Natur- und Umweltschutz, der Heimatpflegeverband Südtirol und die Umweltschutzgruppe Vinschgau appellieren gemeinsam mit Bewohnern des Langtauferer Tals und Tourismusvertretern erneut an die Südtiroler Landesregierung, die noch intakten Bereiche des Südtiroler Hochgebirges im Sinne der Alpenkonvention als Ruhezonen zu bewahren, auf intensivtouristische Erschließungen im Melagtal zu verzichten und auf umweltverträgliche Alternativen in Langtaufers zu setzen.

Kein „ergänzender Eingriff“, sondern eine Neuerschließung
Betrachtet man die Ausgangslage und das Ausmaß der Erschließung, ist der Begriff “Zusammenschluss” irreführend. Vielmehr soll ein komplett neues Skigebiet aus dem Boden gestampft werden. Vom alten Lift in Langtaufers zeugen schon lange nur noch verrostete Liftstützen. Die Anbindung soll über das kaum erschlossene Melagtal, einem Seitental des Langtauferer Tales, erfolgen. Das Melagtal ist noch weitgehend naturbelassen, hier hat sich abgesehen von einem Wanderweg und Trinkwasserfassungen eine hochalpine Landschaft von ursprünglichem, unverbautem Charakter bis heute erhalten. Die geplante Piste und Umlaufbahn, aber auch nur die Umlaufbahn selbst, würden diese Geländekammer dauerhaft negativ verändern.

Die Umweltverbände sind für das Melagtal
Für die Umweltverbände stellt die Erschließung neuer Räume im Hochgebirge und v. a. in Zeiten der Klimaerwärmung einen Tabubruch dar. Im Melagtal ist von erheblichen negativen Umweltauswirkungen auszugehen. Ökologisch wertvolle Lebensräume in einer Höhenlage von 1.920 bis 3.100 Metern werden durch die geplanten Eingriffe gefährdet. Die Brutgebiete und Lebensräume von gefährdeten Arten wie Schnee- und Steinhuhn werden gestört und fragmentiert. Diese Kritikpunkte hatte der AVS bereits 2016 bei der Gemeinde Graun in einer Stellungnahme zur Machbarkeitsstudie deponiert. Sie wurden in drei negativen Gutachten vom Umweltbeirat bestätigt, das Vorhaben kann also keineswegs umweltverträglich sein. Auch der Umweltbericht zur Machbarkeitsstudie, beauftragt von der Oberländer Gletscherbahnen AG selbst, findet klare Worte: „Das Gebiet würde sich durch den Bau der Aufstiegsanlage und der Piste stark verändern. Es ergibt sich eine hohe Eingriffserheblichkeit.“

Grenzübergreifender Schulterschluss der alpinen Vereine
Auch grenzübergreifend macht sich der AVS gemeinsam mit dem Deutschen und Österreichischen Alpenverein stark für den Erhalt alpiner Freiräume (vgl. internationale Alpenvereins-Kampagne #unserealpen). Der Nutzungs- und Erschließungsdruck auf die letzten alpinen Freiräume ist größer denn je. Das zeigt auch der geplante Zusammenschluss der Pitztaler und Ötztaler Gletscherskigebiete. Ein Mega-Projekt und massiver Eingriff in eine hochsensible Natur: 64 Hektar neue Pistenfläche, drei neue Gondelbahnen und ein neues Seilbahnzentrum unterhalb der Braunschweiger Hütte. Wie Langtaufers-Kaunertal, ein weiterer Plan, wieder in den Ötztaler Alpen. Wir müssen den Blick endlich auch aufs Ganze richten, nicht nur Einzelfallenscheidungen treffen. Die Alpen sind bereits jetzt das mit großem Abstand am intensivsten genutzte Hochgebirge der Welt. „Unsere Alpen sind schön. Noch. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen.“

Was nicht passt wird passend gemacht
Neben den bereits erwähnten negativen Gutachten des Umweltbeirates fiel auch das sozioökonomische Gutachten – das von der Politik meistens eingesetzt wird, um den Umweltgutachten etwas entgegensetzen zu können –eindeutig negativ aus. Damit wäre die Entscheidung eigentlich klar gewesen, doch plötzlich war das sozioökonomische Gutachten nicht mehr gültig, weil es einen Befangenheitsverdacht gegen ein Mitglied der sozioökonomischen Kommission gegeben hatte. Ein neues sozioökonomisches Gutachten wurde angeordnet. Für die Sitzung der Landesregierung im Oktober hat das zuständige Amt laut Tagesordnung die Ablehnung des Projekts empfohlen. Doch dazu kam es nicht. Die Entscheidung wurde vertagt, weil das neue sozioökonomische Gutachten für einige Landesregierungsmitglieder – im Gegensatz zu den Experten im zuständigen Amt – nicht eindeutig genug war. Der Verdacht liegt auf der Hand: Es werden so lange neue Gutachten gemacht und Verfahrenstricks angewendet, bis das Projekt gegen alle Widerstände durchgedrückt werden kann. Gleichzeitig werden die Kritiker durch die Verzögerungstaktik mürbe gemacht.

Welchen Tourismus braucht das Langtauferer Tal?
Die Einwohner von Tälern mit einer weitgehend intakten Kultur- und Naturlandschaft wie das Langtauferer Tal, müssen „sich in erster Linie fragen, welchen Tourismus das Tal braucht – nicht: Tourismus ja oder nein – und wie im Tal die Lebensqualität – zu der neben anderem auch die Umweltqualität gehört – erhalten und gefördert werden kann“, so der renommierte Experte für die Entwicklung der Alpen Werner Bätzing (zit. nach Standard, 09.11.2019). Die Langtauferer haben sich diese Frage bereits gestellt: 2016 haben bei der Gemeinde Graun 29 Talbewohner eine negative Stellungnahme zur Anbindung von Langtaufers an das Skigebiet Kaunertaler Gletscher abgegeben. Sie fürchten unter anderem, dass Langtaufers zum Parkplatz für das Skigebiet Kauntertaler Gletscher verkommt, ganz nach dem Motto „Nichts außer Verkehr“.

Das Ziel ist ein dezentraler, umwelt- und sozialverträglicher Tourismus.
Skitechnische Neuerschließungen wie das Projekt Langtaufers-Kaunertal sind überholte Lösungen aus dem letzten Jahrhundert. Mehr als 40 Jahre blockiert diese „unendliche Geschichte“ die Entwicklung im Langtauferer Tal jetzt schon. Es ist an der Zeit, sich für eine Richtung zu entscheiden und vorwärts zu gehen. Moderne Ansätze, wie ein familienorientierter Winter- und Sommertourismus oder die Bewerbung als schneesichere Langlaufdestination in Langtaufers bieten langfristige Wirtschafts Perspektiven für die lokale Bevölkerung bei gleichzeitiger Schonung der Naturund Kulturlandschaft. Solche Ansätze erfolgreich umzusetzen erfordert zwar sehr viel Einsatz und Phantasie, dafür aber weniger Kapital als neue Großprojekte, von denen am Ende nur wenige profitieren. Währenddessen kann eine Diversifizierung des Tourismusangebotes einen Mehrwert für die gesamte Ferienregion Reschenpass darstellen.

„Wird dieses Projekt verwirklicht ist es kein Gewinn, sondern ein Verlust auf ganzer Ebene“, so bringen es Langtauferer Bürger auf den Punkt und weiter: „Wir in Langtaufers kommen aus kleinstrukturierten bäuerlichen Verhältnissen und wissen, dass uns Investitionen in dieser Größe zu Befehlsempfängern degradieren. Wir schwächen das gut funktionierende Skigebiet Schöneben. Wir hätten dadurch vom gleichen mehr und nehmen uns die Vielfalt des touristischen Angebotes. Die Ruhe, die intakte Natur, das Wasser, die saubere Luft, die Stille, das sind unsere Stärken und damit ergänzen wir das Angebot der Region Oberland.“


Foto:
Ortsteil Kapl in Langtaufers mit der Karlesspitze, von wo aus die geplante Skiverbindung auf das Karlesjoch (links vom Gipfel) führen soll. (Heimatpflegerverband Südtirol)