Die Alpen sind sowohl Tourismushochburg als auch Transitregion. Das Verkehrsaufkommen hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht, und der Corona-Sommer 2020 hat diese Entwicklung zusätzlich beschleunigt: Staus ohne Ende, überfüllte Parkplätze, genervte Einheimische. Ohne Zweifel sind die Alpen vom Verkehr massiv bedroht. Aber wie ist diesem Problem beizukommen? Einfache Lösungen gibt es nicht. Die Alpenvereine aus Deutschland (DAV), Österreich (ÖAV) und Südtirol (AVS) richten vier Forderungen an die Politik. Aber auch die Bergsportgemeinde ist gefragt.
Die Alpen als europäische Hauptverkehrsachse
Rund 150 Millionen Gäste besuchen die Alpen pro Jahr, und es werden jährlich mehr. Dazu kommt: Zahlreiche europäische Hauptverkehrsachsen queren die Alpen. Der unangefochtene Spitzenreiter ist dabei der Brennerpass. So hat sich die Zahl der LKW, die täglich über den Brenner rollen, seit 1998 fast verdoppelt: Im Jahr 2018 waren das 2,4 Millionen LKW. Das macht mittlerweile 50% des alpenquerenden Güterverkehrs aus; mehr als über die vier Schweizer und die zwei französischen Übergänge zusammengenommen. Der Transitverkehr durch LKW wird auf EU Ebene durch die Wegekostenrichtlinie geregelt – diese müsste jedoch verbindlich werden und ist lange nicht ausgereift.
Knapp die Hälfte davon (rund 1 Mio. LKW-Fahrten) sind Umwegverkehr, den es nur gibt, weil die Maut auf der Brennerroute und der Dieselpreis in Nordtirol so günstig sind. Dies trägt mit dazu bei, dass das Verhältnis von Schiene und Straße am Brenner derzeit bei 27 % zu 73 % liegt.
Der Brennerpass ist keineswegs nur für den Gütertransit bekannt, sondern auch für den touristischen Verkehr – und zwar mit einer täglichen Frequentierung von bis zu 40.000 PKW, Tendenz steigend. An diesem Beispiel wird klar: Der Individualverkehr spielt rund um die Alpendestinationen eine enorm große Rolle. Aktuell führen Phänomene wie die Anreise für ein spektakuläres Fotomotiv („Instatravel“) und der Corona-Sommer zu einem Anstieg des Verkehrs und der Touristen. Besonders an den Hotspots der Alpen. Ein Beispiel aus Südtirol: 2018 besuchten an Spitzentagen bis zu 10.000 Menschen den Pragser Wildsee, in den Sommermonaten zählte man 1,2 Millionen Besucher. Prags selbst hat im Vergleich dazu nur um die 650 Einwohner.
Vier Forderungen an die Politik
Die Fakten sprechen also eine klare Sprache: Für die in den Alpen lebenden Menschen ist das ausufernde Verkehrsaufkommen eine massive Belastung. Bedroht sind aber auch die dort beheimateten Tiere und Pflanzen. Komplexe Ökosysteme, jahrhundertealte Kulturlandschaften und soziale Gleichgewichte geraten in Schieflage. Nur: Wie ist dieser Bedrohung beizukommen? Eine echte, große Lösung gibt es bislang nicht. Die Alpenkonvention liefert eine grobe Richtung. In ihrem Verkehrsprotokoll heißt es: „Die Vertragsparteien verpflichten sich zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik.“ Die Alpenvereine stellen Forderungen, um diese Richtung einschlagen zu können. Daran anschließend fordern die Alpenvereine eine Verkehrswende für den gesamten Alpenraum. An die Politik richten sie diese vier Forderungen:
Welchen Beitrag kann die Bergsportgemeinde leisten?
Bergsport setzt Mobilität voraus, und in sehr vielen Fällen findet die Anfahrt zur Bergtour mit dem Auto statt. Kein Zweifel: Die Bergsportgemeinde ist viel unterwegs und verursacht Treibhausgasemissionen. Aber alle Bergsportlerinnen und Bergsportler können etwas zur Reduktion ihres CO2-Abdruckes tun:
All das sind sinnvolle Maßnahmen im Rahmen einer Verkehrswende, die selbstverständlich nicht ohne die Mitwirkung der einzelnen Menschen auskommt. Vor allem kommt die Verkehrswende aber ohne den Einsatz der Politik auf kommunaler, bundesweiter und europäischer Ebene nicht aus.